E1-Deerns verlieren beim HSV – und gewinnen in Sachen Fairness
Ab in die Vorvororte: Altonas E1-Deerns traten am Wochenende in Norderstedt beim HSV an. Leider wurde die frühmorgendliche Reise zum nördlichen Polarkreis nicht mit drei Punkten belohnt. Das Team von Übungsleiter Fritz unterlag dem Gastgeber knapp mit 2:3.
Ja, das ist wahre Fußballliebe: An einem Samstag um 7.45 Uhr das Navigationsgerät mit einer Adresse zu füttern, die in Norderstedt liegt. Ein Prinzip des Lebens will es so: Um dort zu sein, muss man hin. Das aber ist manchmal nicht leicht. Norderstedt ist ein gutes Beispiel. Man möchte nach dort, landet aber hier: in good ol‘ Hamburg. Eine charmante Kuriosität der Hamburgisch-Schleswig-Holsteinischen Städteplanung will es nämlich, dass es von der Ulzburger Straße im Umkreis von 10 Kilometern gleich zwei Ausgaben gibt, eine eben in Norderstedt, die andere auf Hamburger Seite in Poppenbüttel, was von Altona aus gesehen aber zunächst in der gleichen Richtung liegt… Nun, ums abzukürzen: Die Deerns rund um Coach Fritz Schönrot waren nach einer kleinen Odyssee doch pünktlich zum Anpfiff um 9 Uhr alle auf der Paul-Hauenschild-Sportanlage in der richtigen Ulzburger Straße versammelt.
Fürs Akklimatisieren auf dem perfekt gestutzten Naturrasen blieb keine Zeit. Anna, Ella, Emilia, Juli, Julina, Lina, Louise, Luna und Maj sahen sich gleich mit Beginn des Spiels mit feinstem Angriffsfußball der Rauten-Mädels konfrontiert. In den ersten sieben Minuten war es ein Spiel auf ein Tor: das von Altona. Gleich fünf Mal parierte Deerns-Tormädchen Lina mit schier unglaublichen Reflexen, für das menschliche Auge nicht nachzuvollziehen, Schüsse des HSV-Sturms. Dann die erste Ecke für Altona: Emilia zirkelt eine ihrer berüchtigten chilischarfen Flanken vors Tor der Gastgeberinnen – Louise steht, wo eine Stürmerin zu stehen hat: Tor, 1:0 für die Gäste! Die HSV-Mädels wirken konsterniert, so haben sie es sich hier offenbar nicht vorgestellt. Das prägt das Spiel der kommenden Minuten, der Sturm der Anfangsphase hat sich zu einer milden Vormittagsbrise entwickelt. Altona hat das Spiel besser im Griff, Emilia, Louise und Maj dribbeln nun über rechts und links nach vorne, nur im Strafraum können sie sich nicht final durchsetzen. Hinten steht Ella wie einst (Eisen-)Dieter Schlindwein bei St. Pauli und kloppt jeden Ball aus der Gefahrenzone. Luna, Juli, Julina und Anna sortieren, je nach Ein- und Auswechslung, das Mittelfeld.
Und doch zeigt sich auch hier ein weiteres Prinzip des Lebens: Wenn alle dort sind, kann keiner hier sein. Das kann zum Problem werden, wenn „dort“ beispielsweise der Bereich bei der rechten Eckfahne in des Gegners Spielhälfte ist, und „hier“ der gähnend leere Strafraum vor des Gegners Tor. Eine Crux im Spiel von Altona: Trägt ein Deern den Ball parallel zur Seitenauslinie zum Beispiel über die rechte Flanke in Richtung Grundlinie, fühlen sich auch alle weiteren Deerns berufen, ihr genau dort beizustehen. Wenn dann aber aus dem Getümmel eine Flanke ins Hier und Jetzt vorm Tor kommt, ist weit und breit kein rot-schwarz-weißes Trikot zu sehen und eine gelangweilte HSV-Torhüterin kann den Ball in aller Ruhe in Empfang nehmen. Das machen die Mädels vom HSV doch etwas cleverer, schwärmen bei Balleroberung in die Breite und positionieren sich auch dort, wo der Ball jetzt nicht ist, aber gleich sein wird. Entsprechend fällt kurz vor dem Halbzeitpfiff das verdiente 1:1 für die Gastgeberinnen.
Aber Fitz ist ja ein Taktikfuchs, seine Ansprache im Schatten einer großen Eiche am Rasenrand wirkt. Mit Anpfiff der zweiten Halbzeit wirken die Altona-Deerns aufmerksamer. In den ersten 10 Minuten bekommen sie ein knappes Dutzend Ecken zugesprochen. Allein, aus Emilias bundesligareifen Hereingaben ergibt sich keine zwingende Torchance. Allerdings so manch Konter der Hausmädchen. Die aber werden von Altonas Torhüterin der zweiten Halbzeit, Maj, mit herausragender Antizipation (Hausaufgabe für alle E1-Deerns: googlen und Begriffserklärung beim nächsten Training rückwärts singen) und Strafraumbeherrschung entschärft werden. Das klappt leider nur bis zur 40. Minute des zwei Mal 25 Minuten währenden Juniorinnen-Spiels. Dann versenkt die Nummer 7 der HSV-Mädchen (deren wortspielverliebtes Motto lautet: Raute Dich…) einen strammen Schuss im linken unteren Eck zum 2:1, keine Chance für Altonas Schlussmädchen. Acht Minuten später: Ecke HSV, hoch vors Gehäuse, Getümmel, Tor, 3:1.
Doch Altona gibt nicht auf, rennt die verbleibenden gut fünf Minuten aufs HSV-Tor als gäbe es kein Morgen. Der Einsatz wird bereits eine Minute nach dem letzten Gegentreffer belohnt: Aus schier unmöglicher Position im Halbfeld fabriziert Mittelfeld-Deern Luna einen zauberhaften Heber, der sich unhaltbar ins Tor der HSV-Mädchen senkt: 3:2. Im Ultrablock kann der familiäre Anhang der Torschützin nur mit Mühe daran gehindert werden, im Flickflack übers Feld zu turnen… Altonas Mädels sind jetzt hellwach, wollen mehr. Juli zieht aus der zweiten Reihe ab, knapp daneben. Julina, ebenso. Das 3:3 hängt in der warmen Luft des Vorort-Morgens. Doch es soll nicht sein, der Abpfiff zerstört die Hoffnung.
Doch die Begegnung ist damit noch nicht vorbei. Eine Delegation von drei Deerns marschiert selbstbewusst und auf Eigeninitiative zur Heimtribüne, einer Reihe von mitgebrachten Campingklappstühlen. Hier hatte sich das ganze Spiel über der familiäre Anhang der HSV-Mädels auf eher fragwürdige Weise gerautet. Jeder Ruf von Coach Schönrot wurde von lautem Lachen begleitet, und wohl auch der eine oder andere Ballverlust der Altona-Mädels. Das lassen Ella, Louise und Maj so nicht stehen – und norden die dann doch sehr schnell sehr kleinlauten Norderstedter Mutt- und Papis mit ein paar klar formulierten Worten zum Thema Fairness schön ein. Forza.